Bericht an die Gesellschaft 2016

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In Erinnerung an Johanna Rühl – eine bemerkenswerte Dame! I Naspa
Von 1940 bis 2017 leitete Johanna Rühl die Nebenzweigstelle der Naspa in Rod an der Weil. Sie war länger im Amt als die Queen: Mehr als 75 Jahre lang leitete Johanna Rühl die Nebenzweigstelle der Naspa in Rod an der Weil, Hauptort der Gemeinde Weilrod im Hochtaunuskreis. Ihre Amtszeit begann im Juni

Länger im Amt als die Queen

Von 1940 bis 2017 leitete Johanna Rühl die Nebenzweigstelle der Naspa in Rod an der Weil.

Sie war länger im Amt als die Queen: Mehr als 75 Jahre lang leitete Johanna Rühl die Nebenzweigstelle der Naspa in Rod an der Weil, Hauptort der Gemeinde Weilrod im Hochtaunuskreis. Ihre Amtszeit begann im Juni 1940: Da bekam sie ganz offiziell eine Vertretungsvollmacht für ihren Vater Karl Veidt, der schon seit 1925 der Nebenstelle vorstand. Damit durfte sie ganz offiziell anstelle ihres Vaters alle Bankgeschäfte durchführen, zu denen die Nebenstelle berechtigt war.

Augenzwinkernd gibt sie allerdings zu, dass sie schon vor diesem Datum öfter mal in Notfällen eingesprungen ist: „Wenn mein Vater aus dem Haus war und ein Kunde mit einem wichtigen Anliegen vorbeikam, dann wurde der natürlich nicht wieder weggeschickt, sondern bedient“, berichtet sie. „Wenn die Kasse am Abend stimmte – und das tat sie bei mir immer –, dann war das für meinen Vater auch in Ordnung.“

„Man kannte uns und hat uns vertraut“
Bevor das Auto die Menschen mobil machte und das Telefon und das Internet die Kommunikation erleichterten, da waren dörfliche Nebenzweigstellen eine wichtige Einrichtung: So konnte die Naspa auch in den dünner besiedelten Regionen des Geschäftsgebiets, wo der Aufbau einer vollgültigen Filiale schwierig war, finanzielle Dienstleistungen anbieten. Geleitet wurden die Zweigstellen oft von Menschen, die im Hauptberuf einer ganz anderen Tätigkeit nachgingen – Handwerker zum Beispiel, oder Landwirte –, die aber vor Ort als Vertrauensperson anerkannt und respektiert waren.

Dass eine junge Frau ein solches Amt übernahm, war aber schon eine Besonderheit. „Ich habe damit nie ein Problem gehabt“, sagt Johanna Rühl. „Die Menschen kannten uns ja im Ort. Sie haben meinem Vater vertraut, also haben sie auch mir vertraut.“ Auch als sie heiratete, blieb sie der Naspa treu – ihr Mann musste allerdings ausdrücklich, wie das damals vorgeschrieben war, ihrer Nebentätigkeit zustimmen.

„Offizielle Kassenstunden hatte ich nie“
Und so versah sie ihren Dienst mit großer Gewissenhaftigkeit.„Ich habe fast alle wichtigen Aufgaben ausgeführt: Sparbücher angelegt, Überweisungen angenommen oder ausbezahlt“, berichtet Johanna Rühl. Ein kleines Büro, das sie in ihrem Wohnhaus eingerichtet hatte, diente als Kassenraum und Beratungszimmer: „Ich brauchte ja nur einen Stempel und die richtigen Formulare und Vordrucke, das war alles.“ Regelmäßig transportierte sie Geld und Formulare in die Hauptzweigstelle nach Usingen und wieder zurück – nicht ohne vor der Heimfahrt in ihrem Lieblingscafé einzukehren, um einen Kaffee zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen. „Das war für mich immer wie ein kleiner Ausflug“, sagt sie lächelnd.

Persönlicher Service war für sie eine Selbstverständlichkeit: „Die Menschen, die zu mir kamen, waren nicht nur Kunden, sondern oft auch Freunde“, sagt sie. „Offizielle Kassenstunden hatte ich darum nie. Die Leute wussten ja, wo ich wohne, und wenn sie ein Anliegen hatten, kamen sie einfach vorbei. Und ich habe mir dann auch die Zeit genommen, ihnen zu helfen – wenn gerade ein Topf auf dem Herd stand, wurde der halt kurz mal abgeschaltet.“

„Mein Computer ist mein Kopf“
Im Laufe ihrer Amtszeit war sie natürlich auch Zeugin vieler historischer Ereignisse und Entwicklungen: Sie hat die Kriegsjahre miterlebt, die Währungsreform, das Wirtschaftswunder und die Einführung des Euro. Nur eine Entwicklung mochte sie nicht wirklich mitmachen: „Einen Computer habe ich nie gebraucht“, sagt sie selbstbewusst. „Mein Computer, das ist mein Kopf.“

In diesem Jahr ist Johanna Rühl in den wohlverdienten Ruhestand gegangen – schweren Herzens, wie sie gesteht: „Die Arbeit hat mir immer Freude gemacht.“ Auch die Geschichte der Nebenstelle in Rod endet damit. Manch einer mag mit Nostalgie und Wehmut auf die vergangenen Zeiten blicken. Aber natürlich hat sich die Gesellschaft und mit ihr die Finanzwirtschaft verändert. Die Menschen sind mobiler geworden, und haben ganz andere Möglichkeiten und Bedürfnisse, um mit ihrer Sparkasse in Kontakt zu treten und finanzielle Angelegenheiten zu regeln – ganz zu schweigen von den wesentlich strengeren gesetzlichen und regulatorischen Vorschriften, die heute gelten.

Kontinuität, Verlässlichkeit, persönlicher Kontakt
Auch wenn Nebenzweigstellen wie die, der Johanna Rühl vorstand, in der modernen Finanzwelt der Vergangenheit angehören – sie liefern auch heute noch ein gutes und vorbildhaftes Beispiel für einige Aspekte der Sparkassen-Philosophie, die nichts an Aktualität eingebüßt haben. Sie zeigen, wie wichtig es ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, Angebote, Dienstleistungen und Kundenkontakt an den tatsächlichen Bedürfnissen auszurichten und nach menschlichem Maß zu gestalten. In diesem Sinne äußerte sich auch Naspa-Vorstand Günter Högner anlässlich der Verabschiedung Johanna Rühls: „Sie hat ihre Aufgabe mit Herzblut und Leidenschaft ausgefüllt. Und sie verkörpert drei große Werte: Kontinuität, Verlässlichkeit und die persönliche Beziehung zum Menschen. Genau das macht die Naspa immer noch aus.“

Johanna Rühl jedenfalls will auch im Ruhestand noch aktiv bleiben und Dinge tun, die den Kopf in Bewegung halten: viel schreiben, Rechenaufgaben lösen, Bücher zur Geschichte lesen. Ein vielseitiges Programm, aber Herausforderungen hat sie ja nie gescheut: „Wenn ich mich nicht getraut hätte, hätte ich die Aufgabe nicht übernehmen dürfen“, sagt sie. „Es hat mich gekitzelt. Ich wollte ja auch immer ein bisschen was lernen.“